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Kampfmittelbeseitiger – Was bleibt ist eine Rauchwolke!

Für den durchschnittsmediengeprägten Mitteleuropäer, ist der Begriff „Kampfmittelbeseitiger“ ein abenteuerliches Hauptwort, sowie die vielen Länder in denen diese Menschen weltweit tätig sind. Sie arbeiten haupsächlich an Orten wo es meist keine All-in-clusive-Hotels (mehr) gibt und der bekannte Marco Polo Reiseführer schon längst aufgegeben hat. Jegliche Informationen über Land oder Leute werden oft von Google und Co mit Worten getaggt, die von wilder Zerstörung oder bewaffneten
Rebellen berichten oder das alles einfach nur als politisch instabil gilt.

Das Thema Maschinerie Krieg und der politische Wahnsinn dahinter ist ein undurchsichtiger Hauptbestandteil des ganzen menschenunwürdigen Geschehens, genauso wie die außergewöhnlichen Zustände am Auftragsort selbst.

Lybien/Benghazi: Für Stephan L. beginnt der Tag kurz nach den letzten Gesängen der Muezzin und den ersten neugierigen Sonnenstrahlen, die langsam aber sicher am fernen Horizont empor wandern. Es ist früh morgens schon ziemlich warm und der goldene Sonnenball verspricht auch heute wieder einen ziemlich heißen Tag. Den Job, als Kampfmittelbeseitiger in Krisengebieten tätig zu sein, macht der gebürtige Deutsche nun schon mehr als 7 Jahre und eine gewohnte Alltagsroutine kennt er nur bei seinen täglich menschlichen Bedürfnissen: „Shit-Shower-Shave“ oder bei seinem aufwändigen Papierkram, alles andere ist einfach eine große Herausforderung. Die Aufgabenstellung an Stephan und sein achtköpfiges Team mit jungen lybischen Soldaten ist nicht Jedermann´s Sache: Sie müssen all das entschärfen was übereifrige Kriegsbeteiligte mehr oder weniger vergessen, verloren oder irgendwo sinnlos verteilt haben. Sie sollen zusammentragen was herrenlos herumliegt und unkontrolliert in die Luft gehen könnte oder einfach zurückgebliebenen Sprengstoff unschädlich machen.

Nach einigen Kilometern Autofahrt raus aus der Stadt Benghazi´s hat das Team den ersten Auftragsort erreicht. In mitten des goldgelbenen Wüstensands und den überall langsam dahin wandernden Kamelen, hat sich ein ganzer Landstrich in eine graue Müllhalde verwandelt, der übersät ist von völlig kaputten und verbrannten Autoteilen sowie unterschiedlichster herumliegender Munition. Es sind Übereste von militärischen und zivilen Fahrzeugen, die einen NATO Luftangriff nicht überstanden haben.

Es ist Alltag für die Männer und doch schwingt jedes Mal eine bestimmte Ungewissheit mit, da niemand genau weiß, was sich noch alles unter diesen Trümmern verbirgt. „Es könnte einfach alles passieren…“ Erst vor wenigen Tagen haben sie einen ausgebrannten T54 Kampfpanzer am Straßenrand entdeckt, der immer noch bemannt war. Die toten Insassen sind bei lebendigem Leib bis zur Unkenntlichkeit verbrannt. Den eigenwilligen Geruch dieser toten Männer werden sie wohl ihr Leben lang nicht vergessen, der ihnen entgegen kam als sie den Panzer geöffnet haben. „Das sind Momente im Leben auf die ich gerne verzichtet hätte, aber auch das gehört bei diesem Job manchmal dazu,“ sagt Stephan.

Die Liste der gefundenen Kampfgeschoße, Blindgänger, Raketen, Mörser oder anderen kriegerischen Gerätschaften ist lang genauso wie die Länder in denen sie produziert werden. Anti-Personen-Minen aus Italien, Raktenwerfer aus China, Panzerabwehrraketen aus Frankreich. Hinter jedem einzelnen, für den Krieg und gegen den Feind, produzierten Kriegsinstrument steckt eine ausgeklügelte Technik und es werden nach wie vor jährlich Unsummen dafür ausgegeben diese Technik auf dem neuesten Stand zu halten.

„Es ist nicht immer einfach zu entscheiden ob alles vor Ort in die Luft gesprengt werden muss um auf Nummer sicher zu gehen oder doch erst an einem anderen Ort. Was übrig bleibt ist immer nur eine große Rauchwolke, aber diesen Geruch mag ich.“

Photos: Stephan L.
Text: Corinna Schmid